Russia is waging a disgraceful war on Ukraine.     Stai con l'Ucraina!
  • Jack Barber - der Heizer der Titanic

Condividere
Dimensione del font
Originale

Testo della canzone: Jack Barber - der Heizer der Titanic

Jack Barber – der Heizer der Titanic
Die alternative Geschichte der Titanic
nach dem John-Maynard-Motto „Katastrophen zu Heldenmärchen“
Theodor Fontane zugeeignet anlässlich seines 200. Geburtstag
 
Im Jahre neunzehnhundertneun
beschloss der Chef der White Star Line
den Bau des bislang allergrößten
und außerdem luxuriösten
Atlantik-Liners, den man je
erblickte auf der hohen See.
 
Man beeilte sich deswegen
ein solches Schiff auf Kiel zu legen:
Es gaben viele hundert Mann
in Belfast sich sogleich daran,
unbeschreiblich große Mengen
von Spanten, Wegern, Plankengängen
 
nach den Plänen eines Briten
miteinander zu vernieten.
So wuchs auf Hunderten von Pallen
ein Stahlkoloss heran, der allen
unsinkbar schien: Modern war schon
das Grundprinzip der Konstruktion.
 
Das Schiff, das, wie der Reeder wollte,
fortan „Titanic“ heißen sollte,
glitt neunzehnhundertelf im Mai -
viel Prominenz war auch dabei -
auf Tonnen Fett und Heck voran
hinunter in den Ozean.
 
Noch fehlten Aufbauten und Schlote
am Heck wehte jedoch der rote
Ensign, der deutlich demonstrierte,
dass dieser nunmehr produzierte
Koloss der See ganz offenbar
ein Wunderwerk Britanniens war.
 
Kaum dass der Rumpf im Wasser war,
begann die vielköpfige Schar
das Innere des Schiffs nun schnell
so wie ein nobles Grand-Hotel
mit all dem Luxus auszustatten,
den damals solche Häuser hatten:
 
Für alle First-Class-Passagiere
schuf man die passenden Quartiere,
vor allem neununddreißig Suiten,
um passenden Komfort zu bieten,
den Standard für die Hautevolee -
sowohl an Land als auch auf See.
 
Diese geräumigen Logis
der reichen High Society
mit Schlafgemach, Bad und Salon
wurden in modischer Façon
aristokratisch möbiliert
und äußerst teuer ausstaffiert:
 
An noblen Edelholz-Paneelen,
an derlei durfte es nicht fehlen,
an den Wänden war auch viel
kunstvoll gewobenes Textil,
und an den Decken überall
kostbare Lüstern aus Kristall,
 
und auf dem schmucken Teppichboden
stilvoll gestaltete Kommoden,
Fauteuils, Chaiselongues und Sekretäre
für die verwöhnten Millionäre
sowie sehr komfortable Betten,
die and're Leute auch gern hätten.
 
Erwähnenswert das oppulente
standesgemäße Ambiente,
das man den First-Class-Passagieren
zudem an Bord zu offerieren
bereit war und für diese Leute
daher auch keinen Aufwand scheute:
 
Da gab's ein Stiegenhaus, das war
noch prunkvoller als an der Loire
die Treppenhäuser der Châteaux -
in Blois oder in Chenonceaux -,
dies konnte freilich nicht aus Stein,
doch eichenholzgetäfelt sein.
 
Von hieraus ging's in Restaurants
in Lounges und in Rauchsalons,
zum Fitnessraum zu Trainingszwecken,
zum Schwimmbad mit beheiztem Becken,
zur Squash-Anlage und zum Spa
und einem schmucken Ballsaal gar.
 
Da es betuchten Passagieren
gefällt, bisweilen zu flanieren,
um sich der Welt zu präsentieren
und auch gebildet zu parlieren,
drum schuf man ein zu diesem Zweck
verglastes Promenadendeck.
 
Nicht ganz so komfortabel wohnen
sollten die zahlreichen Personen,
welche sich nicht imstande sehen,
ein First-Class-Ticket zu erstehen;
Allerdings bot man auch ihnen
durchaus bewohnbare Kabinen.
 
Für die Logis der großen Masse
der Fahrgäste der dritten Klasse,
da wurde – man kann es verstehen -
nicht sehr viel Luxus vorgesehen,
drum soll es hier auch unterbleiben,
deren Kabinen zu beschreiben.
 
Nun, nach nicht allzu langer Zeit
war man zur Jungfernfahrt bereit:
Als dann an einem Frühjahrstag
das Schiff am Passagierkai lag,
herrschte dort lebhaftes Gedränge
einer enormen Menschenmenge:
 
von Mannschaften, Schiffsoffizieren,
Hafenarbeitern, Passagieren
und nicht zuletzt – was nicht verwundert -
der Schaulustigen Aberhundert,
die es sich nicht nehmen ließen,
dieses Spektakel zu genießen.
 
Nun konnten diese Leute eben
live und in Farbe miterleben,
wie sich all die an Bord begeben,
welche auf diesem wunderbaren
Dampfschiff das Meer zu überfahren
gemeinsam im Begriffe waren:
 
In solemner Prozession
stieg Person nun für Person
mit vorsichtig gesetztem Schritte
übers Fallreep zur Schiffsmitte,
wo in der geschwärzten Wand
eine Luke offen stand.
 
Den Erste-Klasse-Passagieren
oblag, den Lindwurm anzuführen:
So rückten erst die Prominenten
in einem elitär-dezenten
Schreittanz an Bord des wunderbaren
Dampfschiffs, um übers Meer zu fahren.
 
Die Reichen und Privilegierten
der Passagiere präsentierten
sich - zweifellos vielfach beneidet -
von Modeschöpfern eingekleidet
mit allerteuerstem Textil
im damals angesagten Stil.
 
Sie hatten auch die Mittel für
die allernobelste Couture
die Kaufhauszaren, Hoteliers,
Großgrundbesitzer und Bankiers,
die Ölmagnaten, Fabrikanten,
die Künstler und die Spekulanten:
 
Die Herren zeigten sich nicht ohne
Longjacket, Mantel und Melone,
Stehkragen, seidenem Plastron
mit Perle oder Cabochon -
und eine Hand war unbedingt
mit edelstem Metall beringt.
 
Die Damen in von Spitzenschneidern
perfekt gestylten Jackenkleidern
freilich im knöchellangen Rock
im Stil der späten Belle Époque
eng in Corsagen eingezwängt,
mit Ketten überreich behängt,
 
sie tippelten als Augenweide
in Samt, Taft, Atlas oder Seide,
altrosa, mauve, schiefergrau,
bordeauxrot oder himmelblau,
unter mit Federn, Pelz und Blüten
geschmückten ausladenden Hüten,
 
umwölkt von exquisiten Düften
mit weiblich sanft gewiegten Hüften,
mit divenhafter Pose und
huldvollem Lächeln um den Mund,
kurzum mit größter Eleganz
und der gebotenen Distanz.
 
Gemeinsam zog ins Schiff mit ein
der Tross der Diener hinterdrein,
gefolgt von einem wahren Heere
von Schauerleuten, die die schwere
Bagage der Privilegierten
über die Gangway transportierten -
 
die Schrankkoffer, monumentale,
und Reisetruhen, kolossale,
Hutschachteln auch sage und schreibe
viel größer noch als Käselaibe,
und viele Taschen, viele Kisten
mit Utensilien der Touristen.
 
Auf diese ausgesprochen lange
ins Schiff hineinkriechende Schlange
folgte noch eine große Schar,
die weniger vermögend war.
Zuletzt kam noch die graue Masse
der Fahrgäste der dritten Klasse,
 
die diese Fahrt recht billig buchten,
weil sie ihr Glück im Ausland suchten
und die ein wenig ängstlich schwiegen,
als sie ins Schiff hinan nun stiegen:
All diese mageren Gestalten
in ihren abgewetzten alten
 
Gewändern, diese Mittellosen
in ihren ausgebeulten Hosen,
die Junggesellen, die im Schwarm -
mit ihren Bündeln unterm Arm -
an Bord des Luxusliners drängten,
sich durch die enge Luke zwängten
 
und dann im schwarzen Riesenbauch
des Schiffs verschwanden, aber auch
in ärmlichen Textilien
vielköpfige Familien,
die trugen mit sich absolut
ihr gesamtes Hab und Gut.
 
Die Gangway holte man nun ein
und schloss die Luke hinterdrein,
nach wenigen Minuten bloß
warf man die Springs und Leinen los,
und der Koloss entfernte sich
ganz langsam, fast schon unmerklich
 
vom Kai, wohin sehr viele kamen
und nun von denen Abschied nahmen,
die zahlreich sich an Deck einfanden
und winkend an der Reling standen.
Gar niemand war sich der Gefahr,
die drohen könnte, recht gewahr.
 
Nun ließ sich auch der Käpt'n blicken
mit grauem Bart und seinem schicken
schneeweißen Kommandantenrock,
wie er hoch von der Brückennock
den Ablegvorgang kontrollierte
und das Manöver dirigierte.
 
Nun gellte auch das Schiffstyphon
und tat mit laut schallendem Ton
zwei-, drei-, viermal im weiten Rund
wahrhaft unüberhörbar kund,
dass dieses Schiff in See nun stach,
sogar zur Jungfernfahrt aufbrach.
 
Ein paar Hafenschlepper zogen
die „Titanic“ durch die Wogen
unter brausendem Applaus
auf die off'ne See hinaus.
Von allem Schleppgeschirr befreit
war das Schiff jetzt fahrbereit.
 
Aus dreien der vier Schlote quoll
schon Rauch, der in den Himmel schwoll,
denn tief im Bauche des Giganten
kurz über Kiel und Bilge brannten
in mehr als zwanzig ungeheuer
großen Kesseln schon die Feuer.
 
Ganz weit unten, ganz weit weg
von Boots- und Promenadendeck,
in Hitze, Dunkelheit und Dreck
dort in den Kesselräumen war
für Passagiere unsichtbar
schon eine vielköpfige Schar
 
von Arbeitsleuten in Aktion,
die nur für einen Hungerlohn
in einer stundenlangen Schicht
in schwarzem Staub und Flackerlicht
sich nur dazu benutzen ließen,
Kohle in Kessel einzuschießen.
 
Einer, der auch hier sich quälte
und zum Heer der Heizer zählte,
die in ihren schmutzverschmierten
Blaumännern Kohle transportierten,
gehörte auch Jack Barber, Sohn
von armen Leut' aus Southampton.
 
Dieweil die Heizer dort im Bauch
des Schiffs in Hitze, Staub und Rauch
emsig und schwitzend sich bemühten,
damit die Feuerstellen glühten,
entspann sich weiter höher eben
ein müßiggängerisches Leben.
 
Bald nach dem Auslaufen schon ließen
sich, um die Seeluft zu genießen,
die ersten dieser modisch schicken
First-Class-Passagiere blicken,
wie sie rings um die weiß lackierten
Bootsdeckaufbauten promenierten,
 
überragt von schwarzen Schloten
längs der Davits mit den Booten
auf und ab auf blitzeblanken
rotbraunen Mahagony-Planken,
wo sie die vielen glanzpolierten
Messingbeschläge reflektierten.
 
Vor allem Damen defilierten
an Deck, wo sie sich in taillierten
modischen Kleidern exponierten,
sich theatralisch inszenierten
und unterschwellig kokettierten
mit Herren, die vorbeiflanierten.
 
Die meisten der gut situierten
Herren jedoch, sie präferierten
den Rauchsalon und diskutierten
mit gleichfalls smokingkostümierten
mitreisenden Privilegierten
Probleme, die sie interessierten,
 
dieweil sie Cognac konsumierten
und Tabakdüfte inhalierten.
Während die Herrn der angeregten
Konversation gemeinsam pflegten
und viele der distinguierten
Damen an Deck herumspazierten,
 
blieb den andern Passagieren
in den schlichteren Quartieren
nichts als dahinzuvegetieren,
statt sich an Bord zu amüsieren,
doch durften sie aus ihrer Gruft
aufs Welldeck an die frische Luft.
 
Man darf natürlich nicht vergessen,
dass tief im Schiffsrumpf währenddessen
das Heer der Heizer transpirierte,
das keinen Augenblick pausierte
und unablässig portionierte
Kohle in Kessel expedierte.
 
So zog der stählerne Titan
Stunde für Stunde seine Bahn.
Mit über zwanzig Knoten glitt
das Schiff durchs Meer, sein Bug durchschnitt
die Wogen mühelos und zwar
mit Kurs auf Nordamerika.
 
Am Abend schritt die Hautevolee
passend gekleidet zum Diner,
wobei sie es besonders schätzte,
wenn sie zum Käpitän sich setzte.
Das Bordorchester konzertierte,
dieweil man Kaviar servierte,
 
auch ließen Austern, Lachs und Schnecken
die werten Fahrgäste sich schmecken,
und für die verwöhnten Kehlen
durfte Champagner auch nicht fehlen.
Tiefer im Schiff auf and'rem Deck
gab's Bohnen, Bier und Schweinespeck.
 
Schon eine Woche war verstrichen
als man an Bord im winterlichen
Atlantik Eisalarm empfing,
der über Schifffahrtsfunk einging.
Vertretbar schien den Offizieren,
die Warnungen zu ignorieren.
 
Es wurde Abend, wurde Morgen,
noch machte man sich keine Sorgen,
und daher setzte man an Bord
das Leben unverändert fort,
und ihre Arbeit taten auch
die Heizer in des Schiffes Bauch.
 
Der Tag verstrich, die Dunkelheit
sank nieder, und nach kurzer Zeit
reichte die Sicht nicht mehr sehr weit.
Der Kurs lag an nach West-Süd-West,
die Seeleute im Krähennest
hielten den Meeresspiegel fest
 
im Blick, um auf den Nordmeerwellen
mögliches Treibeis festzustellen.
Das karge Sternenlicht erhellte
das Meer, das sich nur kräuselnd wellte,
denn wenig kraftvoll, sehr gelinde
wehten in dieser Nacht die Winde.
 
Nach sieben Glasen in der späten
Nachtstunde schließlich da erspähten
die Seeleute im Ausguck noch
treibende Eisschollen, die doch
durchaus Gefahr signalisierten,
welche die Männer ignorierten.
 
Doch keine Viertelstunde drauf
da tauchte jäh ein Eisberg auf.
Die Ausgucksleute sah'n erschrocken
den zwanzig Meter hohen Brocken,
der recht voraus unmittelbar
in Fahrtrichtung des Schiffs sogar
 
im Meer trieb und mit ihrem Boote
sehr bald zu kollidieren drohte.
Unverzüglich alarmierten
die von der Gefahr schockierten
Seeleute vom Vormast aus
diejenigen im Ruderhaus,
 
die in diesem Augenblicke
auf des Schiffs Kommandobrücke
bei allen drohenden Gefahren
sofort zu informieren waren.
Der Offizier, der Wache ging
und diese Mitteilung empfing,
 
verstand sofort und ließ deswegen
das Ruder hart nach backbord legen,
um so den Kurs zu korrigieren
und nicht frontal zu kollidieren.
Bei voller Fahrt schob sich nur träge
das Schiff behäbig in die Schräge
 
so dass die Bordwand, nicht der Bug,
mit Wucht gegen den Eisberg schlug.
Den Aufprall hörte man zwar kaum,
doch tief im Schiff im Kesselraum
sah Jack, dass in der Außenwand
sich nun ein großes Loch befand,
 
durch das die See mit Ungemach
ins Innere des Schiffs einbrach.
Wurde ihr Arbeitsplatz auch nass,
die Heizer schaufelten fürbass,
doch Jack erkannte schließlich doch:
Lebensgefährlich war das Loch!
 
Jack stammte aus der Unterschicht,
war ein Prolet, drum sprach er nicht:
„Parbleu, mich deucht, das Schiff, es leckt.“
Er schrie: „Leck mich am Arsch, verreckt!
Der Scheißpott ist glatt aufgelaufen,
wir werden alle noch ersaufen!“
 
War seine Wortwahl auch noch mehr
als ordinär und sehr vulgär,
so inspirierte sie ihn doch,
das in den Rumpf geriss'ne Loch
mit dem Gesäße zu verstopfen,
den Arsch nun in das Leck zu pfropfen!
 
Das Schiff, das fortan nicht mehr leckte,
weil Jacks Arsch in der Bordwand steckte,
lief unverändert schnell deswegen
seinem entfernten Ziel entgegen.
Auch ging mehr oder minder heiter
auf allen Decks das Leben weiter.
 
Inzwischen hatte schon die Brücke
Nachricht erhalten von der Lücke,
die eine ernsthafte Gefahr
für Schiff und Passagiere war.
Drum musste sich der Käpt'n eben
tief in den Rumpf des Schiffs begeben,
 
um das dortige Geschehen
höchstpersönlich anzusehen,
und was zu tun war zu entscheiden,
um weit'res Unheil zu vermeiden.
So stieg in seiner blütenweißen
Montur der Käpt'n in den heißen
 
und nicht gerade blank geputzten,
sondern vom Kohlenstaub verschmutzten
Ort des Geschehns herab, wo Jack
mit seinem Hintern noch im Leck
stak und den Fluten das begehrte
Eindringen ins Schiff verwehrte.
 
Der Kapitän wurde sogleich
wie seine Uniform so bleich,
als er die drohende Gefahr,
die mit dem Leck verbunden war,
erkannte, drum bat er den Jack,
sich keinesfalls von seinem Fleck
 
fortzubewegen und den kalten
Fluten auch weiter standzuhalten.
In Anbetracht von seinen Qualen
wolle man ihm den Lohn noch zahlen,
wenngleich er seine Arbeit nach
der Kollision doch unterbrach.
 
Zurückgekehrt aufs Brückendeck
befahl der Kapitän direkt,
die Rettungsboote zu klarieren,
um sie im Notfall wegzufieren.
Er war sich sicherlich im Klaren,
dass nicht genug vorhanden waren,
 
um alle Menschen auf dem Liner
nun aufzunehmen in solch einer
lebensbedrohenden Gefahr,
die niemals zu erwarten war.
Vorsichtshalber schloss man drum
zum Oberdeck den Zugang, um
 
ein Vordringen der großen Masse
der Passagiere dritter Klasse
bis zu den Booten zu verhindern,
damit sie nicht mit ihren Kindern
den prominenten Passagieren
den Weg ins Rettungsboot blockieren.
 
Nach weniger als einer Stunde
schon machte das Gerücht die Runde,
dass durch die Karambolage
eine ernsthafte Leckage
tief im Rumpf entstanden war,
die tatsächlich die Gefahr
 
mit sich brachte, dass dem Boote
gar der Untergang jetzt drohte.
Die Geschäftsleute an Bord
stellten sich daher sofort
ohne Emotion die Frage,
wie aus dieser schlimmen Lage
 
noch Profit zu ziehen war.
Ihnen war natürlich klar,
dass der Kurs von Wertpapieren
deutlich dann an Wert verlieren
würde, wenn das Schiff versunken,
Firmenchefs zudem ertrunken
 
und die Börsenwelt schockiert
nur auf Baisse spekuliert.
So galt es, in dieser Stunde
keine einzige Sekunde
zu verlieren, und darum
eilten sie zum Funker, um
 
ihren Maklern mitzuteilen,
schnellstens zum Parkett zu eilen
und noch günstig ihre großen
Aktienpakete abzustoßen.
Als sie das Gerücht vernahmen,
reagierten auch die Damen:
 
Manch eine Lady fragte bang:
„Was trag' ich nur beim Untergang?“
Und „Welch Kostüm passt wohl am besten
zur Farbe dieser Rettungswesten?“,
zu klären wär' auch nicht zuletzt:
„Welches Makeup ist wasserfest?“
 
Das Schiff, das nicht mehr sinken musste,
weil Jack das Loch zu stopfen wusste,
es lief nicht voll, sondern deswegen
mit voller Kraft New York entgegen.
Um das Schiff nicht zu verlieren,
musste man Jack noch motivieren,
 
seinen inzwischen leichenblassen
Arsch weiterhin im Leck zu lassen.
Der Käpt'n wollte seine Kluft
mit diesem Schmutz der Heizergruft
wahrlich kein zweites Mal verschmieren
und sich nochmals inkommodieren.
 
Um sich trotzdem zu informieren,
gab er den and'ren Offizieren
den Auftrag, Jack zu kontaktieren
und die Lage zu sondieren.
So stieg herab vom Brückendeck
der Erste Offizier zu Jack,
 
der nach wie vor das Leck verstopfte,
aus dem es nur noch spärlich tropfte.
Der Offizier sprach: „Lieber Jack,
um Gottes willen geh nicht weg!
Wenn hier das Meer ins Schiff einbricht,
dann überleben viele nicht!“
 
Jack Barber sprach zum Offizier:
„Ich geh' nicht weg, ich bleibe hier!“
Dem Druck aus der kaputten Wand
hielt Jack auch weiterhin noch stand
und er ertrug mit Opfermut
die Kälte der Atlantikflut.
 
Der Erste Offizier sprach nun:
„Wir können jetzt nichts and'res tun
als stoisch Ruhe zu bewahren
und schnellstens nach New York zu fahren.
Es sind nur noch sechshundert Meilen,
wir werden uns auch sehr beeilen.“
 
Der Luxusliner lief deswegen
mit voller Kraft dem Ziel entgegen.
Nach ein paar Stunden schließlich kam
der Zweite Offizier und nahm
die Aufgabe in seine Hand,
Jack Barber in der Außenwand
 
zu überzeugen, dass er doch
in seiner Klemme möglichst noch
zumindest ein oder zwei Tage
in dieser unbequemen Lage
verbleiben möchte, damit man
den Zielhafen erreichen kann.
 
Der Offizier sprach: „Lieber Jack,
bleib, wo du bist, und geh' nicht weg!
Die letzten rund vierhundert Meilen
möchtest du noch im Leck verweilen,
damit keiner der Passagiere
sein Leben in der See verliere.“
 
Jack Barber sprach: „Ich bin bereit,
zumindest noch für kurze Zeit
den Hintern in die eisigkalten
Atlantikfluten reinzuhalten.“
Drauf sprach der Zweite Offizier:
„Mein lieber Jack, wir danken dir!
 
Von innen heiß, von außen kalt -
Jack Barber wurde leider bald
krebsrot, dann bleich und mit der Dauer
erst blau und langsam immer blauer.
Der Dritte Offizier trug drum
zwei Flaschen mit dem besten Rum
 
hinab zum Kesselraum zum Leck
und dem darin steckenden Jack
und sagte: „Jack, nimm einen Schluck.
damit du noch dem Wasserdruck
für ein paar Stunden widerstehst
und nicht mit allen untergehst!“
 
Jack Barber nahm in seiner Not
dies kostenlose Angebot
sehr gerne an und trank darum
in vollen Zügen diesen Rum.
Der Dritte Offizier sprach „Jack.
du gibst nicht auf und bleibst im Leck,
 
und wirst bestimmt ohne zu klagen
die letzten Meilen noch ertragen!“
So blieb dem alkoholisierten
Jack nichts als in der ramponierten
Schiffswand den Hintern zu belassen
und den kalten Wassermassen
 
auch weiter Widerstand zu leisten.
Dank Jack Barbers Hintern reisten
weit über tausend Passagiere,
Mannschaften und Offiziere
unversehrt und unverlegen
weiter ihrem Ziel entgegen.
 
Zum guten Schluss lief der Gigant
trotz Loch in seiner Außenwand
noch pünktlich in Manhattan ein.
Am Chelsea-Pier der White Star Line
warf man nun unter dem Applaus
von Tausenden die Leinen aus.
 
Kaum war der Liner festgemacht
und auch die Gangway ausgebracht,
da fluteten eilends die Massen
der Passagiere aller Klassen
von Bord des Riesenschiffs an Land,
wo man nun festen Boden fand.
 
Niemand, der nicht erleichtert war,
nach überstandener Gefahr
doch noch New York erreicht zu haben!
Die meisten Fahrgäste begaben
sich möglichst schnell weg von dem lecken
Schiff, das nun auch im Hafenbecken
 
eventuell noch kentern sollte,
was man nicht erleben wollte.
Von dem, was sie ertragen mussten,
auf dieser Fahrt, darüber wussten
die Damen wortreich zu berichten
und erzählten nun Geschichten
 
vom heftigen Zusammenstoß
mit einem Eisberg, der so groß
wie eine Kathedrale war,
zudem vom Käpt'n, der sogar
in dieser tödlichen Gefahr
 
die Nerven nicht verlor und die
so grauenvolle Havarie
letztlich noch zu meistern wusste,
so dass man nicht ertrinken musste.
Shocking: Ein aus der Unterschicht
stammender Mann scheute sich nicht,
 
obszön sich in das Leck zu zwängen
und in den Mittelpunkt zu drängen.
Wie dem auch sei, der arme Jack,
er steckte immer noch im Leck.
Jetzt war gar niemand mehr an Bord,
der tapf're Jack, er ging nicht fort,
 
der Heizer ging nicht mehr an Land,
er war dazu nicht mehr imstand.
Sein Leben hatte er verloren,
er war vom Arsch her schon erfroren.
Ja, niemand hätte je gewettet,
dass ein Proletenarsch der feinen Leute Arsch noch rettet!
 

 

Wolfgang Riedmann: 3 più popolari
Modi di dire da “Jack Barber - der ...”
Commenti
Vera JahnkeVera Jahnke    Lun, 12/08/2019 - 19:27

⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️
Ein Schauermärchen war's, fürwahr,
Doch Du erzählst es wunderbar!
Die "Schauerleut'", mir unbekannt,
Ich schließlich doch auf Wiki fand:
(https://de.wikipedia.org/wiki/Schauerleute)

Und wenn Du magst, gibt's Klänge hier,
Kann sein, dass sie gefallen Dir.
Kopier sie nur ins Video-Feld,
Dann hast Du sie, schwupps, reingestellt:
https://www.youtube.com/watch?v=g4mY_IazAH0
https://www.youtube.com/watch?v=k9kE_qR3TX0
https://www.youtube.com/watch?v=ySNmLXlNg0Y

Wolfgang RiedmannWolfgang Riedmann
   Gio, 21/09/2023 - 17:33

Dieses Nonsens-Gedicht ist eine Persiflage auf die John-Maynard-Ballade, die eine Havarie auf dem Eriesee im Jahre 1841, die über 200 Opfer forderte, in ein nicht nur geschichtswidriges, sondern auch unrealistisches Heldenmärchen verdreht.